Der Glauben der afrokubanischen Santeria und die mit ihr verbundenen religiösen Handlungen stehen unter dem Schutz der Religionsfreiheit.
Am 14.12.2006 wurde an das Euro-Orishanetwork eine Email-Anfrage gerichtet, in der eine Opfergabe beschrieben wurde, von der der Fragesteller ausging, dass sie im Zusammenhang mit der afrokubanischen Santeria stehen könne.
Die Opfergabe wurde wie folgt beschrieben:„In einem Waldgebiet fand sich ein Holzstab mit einer Verpackung die mittels einer weiß-roten Schnur befestigt war. Am Boden befand sich ein Wasserglas als Blumenvase mit verschiedenen Blumen und ein Teller. Nach öffnen des "Sackes" fand sich ein toter weißer Hahn mit teils abgeschnittenem Kopf (ausgeblutet) mit einigen Kokosnussteilen, vier weißen angebrannt gewesenen Kerzen, zwei Bunde mit Ziersträucher umwickelt mit einer schwarz+weißen Stoffbahn und das andere mit roter Stoffbahn. Weiterhin drei größere Tücher in denen der Hahn teils eingewickelt war in rot, schwarz und weiß.
Einige Tage später wurde am gleichen Ort, nur einige Meter weiter weg im Bereich eines Feldweges eine weitere Opfergabe gefunden, in Form einer Schüssel in der sich eine Art grauer Brei befand (könnten zerstampfte weiße Bohnen gewesen sein), darüber eine große Lage hart gekochter Eierstreifen und in der Mitte eine gelbe dicke Kerze. Daneben ein Teller mit einem Ring einer Speise von weißen kleinen Bohnen die in einer gelben Schicht (Maislake??) eingelegt waren.“
Auch der örtlichen Presse, der "Waiblinger Kreiszeitung", war dieser seltsame Fund ein Artikel wert.
Im Laufe der polizeilichen Ermittlungen stieß man dann auf eine 30-jährige Kubanerin, welche angab, sie habe mit Hilfe eines Santeria-Priesters (der zu diesem Zweck extra aus Spanien angereist kam) dieses Ritual durchführen lassen, um den Geist eines Toten, der in ihr Haus eingedrungen war und die zweijährige Tochter bedrängte, entfernen zu lassen. Zu diesem Zweck wurde auch der besagte Hahn getötet, auf eine, nach Aussage der Kubanerin, schonende Weise.
Gegen die Kubanerin wurde dann Anzeige wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erhoben.
Am 03.09.2007 erließ dann das Amtsgerichtes Waiblingen in dieser Sache folgenden Beschluss:
„Die Angeschuldigte ist Anhängerin des Santeria-Glaubens, einer verbreiteten Religion auf Kuba. Diese Religion geht zurück auf den Import von afrikanischen Sklaven in den Zuckerrohrplantagen in Südamerika; diese Sklaven wurden gezwungen, den katholischen Glauben anzunehmen, was dazu führte, dass sie ihre afrikanischen Kulte, die durch Vielgötterei, Mythen, Opfer, Initialisierungen und Wahrsagen geprägt waren, insgeheim fortführten. Dadurch verbanden sich Elemente des katholischen Glaubensmit Riten und Inhalten afrikanischer Kulte. Im Santeria-Glauben ist Olodumare der allmächtige Gott und Schöpfer der –etwa 20- Orishas; dies sind Geistwesen oder Götter, die wie etwa die katholischen Heiligen Vermittlungsaufgaben übernehmen sollen. Dazu werden ihnen auch Opfer gebracht.
Auch der Santeria-Glauben steht unter dem Schutz der Religionsfreiheit. Seine Anhänger haben das grundsätzlich geschützte Recht, ihren Glauben ohne staatliche Einflussnahme auszuüben, insbesondere auch kultische Handlungen vorzunehmen.
In Art. 20 a GG ist auch der Schutz der Tiere im Wertesystem des Grundgesetzes verankert. Zwischen der Religionsfreiheit einerseits, dem Tierschutz andererseits besteht kein Über- oder Unterordnungsverhältnis; vielmehr ist unter der Abwägung der beteiligten Rechtsgüter eine Lösung zu finden, welche beiden Werten einen möglichst weitgehenden Schutzbereich verschafft.
So ist etwa das islamische und jüdische Gebot des Schächtens in § 4 a Tierschutzgesetz in verfassungskonformer Weise so geregelt, dass sowohl die Belange des Tierschutzes als auch die religiösen Gebote berücksichtigt sind.
Nichts anderes kann für die Anhänger des Santeria-Glaubens gelten.
Auch ihre Riten und Rituale sind zu achten; dieses grundsätzliche Achtungsgebot wirkt auf die Auslegung des Begriffs des „vernünftigen Grundes“ in § 17 II TierSchG ein.
Die Frage, was als vernünftig anzusehen ist, ist danach nicht aus der Sicht eines Anhängers des christlichen Glaubens oder eines objektiven, aufgeklärten Betrachters zu beantworten, sondern aus Sicht des jeweilig handelnden und seiner Motivation.
Wenn diese Motivation religiös fundiert ist und das Handeln aus der Sicht des Handelnden geeignet erscheint, ein achtenswertes Ziel- etwa die Heilung eines Menschen- zu erreichen oder zu fördern, so ist dies als vernünftig im Sinne des Tierschutzgesetzes anzusehen.“
und weiter heisst es:
„Hähne werden in der Regel getötet, um sie zu verspeisen; massenhafte „Keulungen“ werden bei Verdacht auf Seuchen durchgeführt; etwa 45 Millionen männliche Küken werden in Deutschland jährlich unmittelbar nach dem Schlüpfen aussortiert, vergast und zu Tiermehl verarbeitet, weil sie weder zum Eierlegen noch zur Fleischproduktion geeignet sind.
Verglichen mit diesen Tötungen erscheint die vermutlich schonende Tötung eines einzelnen Hahns zum Zwecke der Vertreibung eines bösen Geistes nicht als geeignet, das Tatbestandsmerkmal „ohne vernünftigen Grund“ aus § 17 II Tierschutzgesetz zu erfüllen.
Der Erlass des beantragten Strafbefehls ist daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 Abs. 1 StPO.“
(Das Aktenzeichen des Beschlusses des Amtsgericht Waiblingen lautet: 5 Cs 172 Js 64691/07 und ist seit dem 19.09.2007 rechtskräftig.)